Ordinationsgarten

Seit 1992 Lehre in der Praxis

Übergabe von Kompetenz und Verantwortung

Von Anfang an beginnt ein Prozess der Übergabe von Verantwortung in verschiedensten Bereichen der Patientenbetreuung. Dies geht Hand in Hand mit einerseits der Überprüfung vorbestehender Kompetenzen von der Universität und von vorher absolvierten Abteilungen her als auch darauf aufbauend mit der Vermittlung neuer Kompetenzen, die die Kernaufgaben des Faches Allgemeinmedizin darstellen. Dieses Hineinwachsen in die Aufgabe ist auch sichtbar am Platz, den der junge Assistent/die junge Assistentin in der Ordination und bei Arbeitsabläufen einnimmt.

Wird er am Anfang als „Beiwagerl“ daneben sitzen und auf Aufforderung gewisse Untersuchungen machen und Tätigkeiten übernehmen, kommt bald der Augenblick, wo der Assistent auf den Chefsessel wechselt und unter der Beobachtung und Unterstützung des Mentors eigenständiges Handeln einübt. Schritt für Schritt zieht sich der Lehrpraxisleiter aus dieser Triade Mentor-Turnusarzt-Patient zurück und wird schließlich hauptsächlich externer Beobachter, der mit verschiedenen didaktischen Hilfsmitteln die Tätigkeit des Assistenten analysiert und mit diesem danach unter 4 Augen gemeinsam reflektiert. Auch in der Körpersprache wird dies dem Patienten zunehmend signalisiert. In dieser Phase wird der Turnusarzt immer häufiger auch in sein eigenes Sprechzimmer entsandt, um immer mehr Anteile einzelner Konsultationen selbständig durchzuführen, zunächst unter strenger Berichtspflicht und abschließender Kontrolle des Lehrpraxisleiters.

Ist Vertrauen in die Fähigkeiten des Assistenten entstanden und hat man sich vor allem von seinen kommunikativen Strategien überzeugt, kann man immer öfter auch bei komplexeren Fällen immer früher den Raum verlassen und diskutiert die Problematik am Ende oder danach.

Eine weitere Stufe der Verantwortungsübergabe erfolgt dann, wenn bestimmte Krankheitsbilder häufig gesehen und ausführlich besprochen worden sind. Jetzt bekommt die Ordinationshilfe bereits eine virtuelle Liste von Konsultationsanlässen, bei denen schon von vornherein die Patienten auf einer eigenen Warteliste dem Jungarzt/der Jungärztin zugewiesen werden (zb. Mittelohrentzündungen im Winter oder Insektenstichreaktionen im Sommer). Spätestens nach 3 Monaten sollte der Assistent alle diese Entwicklungsschritte durchlaufen haben. Um nicht die eine oder andere Thematik zu übersehen, ist spätestens dann eine Zwischenbilanz sinnvoll.

Ein weiteres großes Ziel dieses Ausbildungsprojektes ist erreicht, wenn man den jungen Kollegen zutrauen kann, einen ganzen Vormittag die Praxis alleine zu führen nur im Wissen, dass der Lehrpraxisleiter in einem Hinterzimmer eigene Arbeiten macht und bereit steht, grundsätzlich aber keine Patienten betreut.

Zur Krönung dieses Prozesses, die Entsendung zu einer weitgehend selbständig durchgeführten Visite, gibt es noch einige Informationen später in diesem Beitrag.

Formen der Lehre

Wurde bisher beleuchtet, wie man den Turnusarzt/die Turnusärztin rasch in das Team integriert und in eine zunehmend verantwortliche Position einfügt, möchte ich hier noch auf einige Aspekte hinweisen, wie und wann konkrete Lehre und Unterweisung stattfindet. In einer beim Weltkongress der Allgemeinmedizin in Prag 2013 präsentierten Arbeit wurde dies sehr eindrucksvoll dargestellt: Man beobachtete Lehrgespräche von der Kurzintervention in Form einer aufhellenden Frage zu einem Einzelaspekt bei der Untersuchung eines Patienten über das konkrete Vorführen und Unterweisen in verschiedene Untersuchungsgänge bis zum expliziten Tutorial, bei dem ein gesamter Themenbereich des Faches Allgemeinmedizin im 4-Augengespräch abgearbeitet wird. Entscheidend ist, dass man diese Gelegenheiten dazu im gesamten Tagesablauf immer unterbringen kann. Dabei hilft einerseits ein gut strukturiertes Zeitmanagement in der Ordination (Warteliste, Teampausen, Pufferzeiten) und wenn in der Praxis eine Kultur der Lehre auch nach außen sichtbar ist. Patienten nehmen es überhaupt nicht übel, wenn sie sehen, dass ihr Hausarzt sein Wissen weitergibt und die JungärztInnen aktiv in ihren Kompetenzen gefördert werden. Hervorragender Gesprächsraum ist übrigens die gemeinsame Fahrt von und zu Hausbesuchen.

Neben diesen aktiven Maßnahmen durch LehrpraxisleiterInnen gibt es auch einige Möglichkeiten durch Arbeiten, Studien und Beobachtungen die JungärztInnen zu motivieren, selbst neues aktuelles Wissen aber auch neue Erkenntnisse über die Arbeit der Ordination selbst in die Praxis einzubringen.

  • Die TÄ Merkblätter erarbeiten lassen (zB Impfung, Borreliose, Patienteninfo über Abläufe in der Praxis)
  • TÄ in der praxisinternen Fortbildung Themen referieren lassen
  • TÄ sofort in die wöchentliche Teambesprechung einbinden
  • Jeden TA Verfahrensanleitungen und Algorithmen erarbeiten lassen, die in eine spezielle Mappe kommen, die zukünftigen TÄ bereits als Anleitung dient
  • Den TA an bestimmten Tagen „Praktika“ absolvieren lassen, um Bereiche intensiver kennen zu lernen, die nicht unbedingt in der Praxis geschehen. Beispiele: Hauskrankenpflege, Physiotherapeutin, Schularzt, Arbeitsmedizin, Distriktsarzt, Mütterberatung, Laborgemeinschaft. Ab und zu ist ein Tag ohne TA auch angenehm und die TÄ haben solche Ausflüge gern.
  • Internet-Recherche und Entsendung zu Fortbildungen, um von dort zu berichten