Starker Tobak eines starken Präsidenten!

Stellungnahme von Dr. Christoph Dachs, Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) im Jahreskalender 2016 der Ärztekrone:

Im Moment bläst der Allgemeinmedizin ein kräftiger Wind entgegen. Man hat den Eindruck, dass auf vielen Ebenen die Stärkung der Allgemeinmedizin durch Ignoranz und Partialinteressen bewusst behindert oder boykottiert wird, obwohl sich die Situation dramatisch zuspitzt. Es gibt in Österreich mittlerweile viele allgemeinmedizinische Kassenstellen, die nicht mehr besetzbar sind. Wenn nicht Fachärzte nach vielen Jahren Facharzttätigkeit in die hausärztliche Versorgung wechseln würden, könnte das derzeitige System schon am Ende sein.

International vergleichende Studien zeigen, dass hausarztbasierte Gesundheitssysteme bei einer gut messbaren Kosteneffizienz wesentlich effektiver und qualitativ hochwertiger sind. Outcome-Studien zeigen hier eine höhere Lebenserwartung, und die Bevölkerung wird später chronisch krank (Barbara Starfield).

Trotz medial wirksam verkündeter Stärkung der Hausarztmedizin durch mehrere Verantwortungsträger im Gesundheitssystem verschlechtert sich die Situation zusehends, und beschlossene Maßnahmen werden nicht oder nur wenig umgesetzt.

Das beginnt schon bei der universitären Ausbildung: Die allgemeinmedizinische Ausbildung und Lehre wird an einigen Universitäten nicht wertgeschätzt, und den Studenten wird zum Teil abgeraten, in Richtung Allgemeinmedizin zu gehen. Die vierwöchige Ausbildung in der allgemeinmedizinischen Lehrpraxis im Rahmen des Klinisch Praktischen Jahres wird vor allem in Wien aus nicht nachvollziehbaren Gründen auf mehreren Ebenen massiv behindert.

Die bereits bestehenden und von uns schon lange herbeigesehnte Ausbildungsreform wird in den Kliniken zum Teil nicht entsprechend umgesetzt bzw. werden Ärzte in Ausbildung massiv in der Klinik abgeworben. Folge ist, dass sich nur ganz wenige junge Kolleginnen und Kollegen für die Allgemeinmedizin entscheiden. Die Stärkung der Hausärzte bleibt ein Schlagwort, solange wir nicht gut lebbare Formen der Zusammenarbeit finden, um auch den Wünschen vor allem junger Kolleginnen nach Teilarbeitszeit erfüllen zu können. Es braucht kluge, sich von unten entwickelnde hausärztliche Versorgungssysteme mit einer deutlichen finanziellen Aufwertung der Allgemeinmedizin und neue Formen der Honorierung, die einer Zuwendungsmedizin entsprechen. Auch das Image muss verbessert werden. Es ärgert mich grundsätzlich, wenn von Systemverantwortlichen immer wieder der öffentliche Vorwurf kommt, wir Allgemeinmediziner betreuten unsere Patienten so schlecht.

Nicht zuletz wird es nur funktionieren, wenn wir im Gesundheitssystem einen Steuerungsmechanismus in die richtige Versorgungsebene implementieren, nur so kommen wir weg von einer Überversorgung und massiven Erhöhung der Gesundheitskosten. Das sind aber im Moment nur Visionen. Die Realität sieht anders aus. Wir scheinen gerade auf die Krise zu warten und realisieren nicht, dass es nach dem Kollaps deutlich schwerer sein wird und viel mehr kosten wird, das zerstörte System wieder aufzubauen.

DIE NOT IST SCHEINBAR NOCH NICHT GROSS GENUG!

Trotzdem glauben wir an die Allgemeinmedizin, und internationale Entwicklungen beweisen, dass dieser wunderbare Beruf des Hausarztes eine gute Zukunft hat