Erfahrungen, Hinweise
und einige nützliche Tipps
Mein Weg zum Lehrpraxisleiter
Seit nunmehr 28 Jahren führe ich eine Kassenpraxis für Allgemeinmedizin am Rand einer Großstadt. Ab dem Jahr 1992 bin ich auch Inhaber einer Lehrpraxis, seither sind 30 TurnusärtInnen und Turnusärzte bei mir in Ausbildung gewesen, jeweils für einen Zeitraum zwischen 3 und 10 Monaten. Motivation, diese Zusatzarbeit auf mich zu nehmen, war meine eigene Lehrpraxiszeit am Land, die, da sie mitten im Turnus möglich war, meine Ausbildungsziele wesentlich veränderte und somit neben den unerwarteten Erfahrungen auch dazu beigetragen hat, im Spital meine Weiterbildung endlich auf die Erfordernisse meines später geplanten Berufes als Hausarzt zu gestalten. Dies wollte ich nachkommenden jüngeren KollegInnen unbedingt ermöglichen.
Bald war klar, dass eine solche verantwortungsvolle Aufgabe nicht ohne begleitende Qualifizierung für diese Lehrtätigkeit möglich war, um nicht die jungen Mediziner einfach zu Hilfsarbeitern und Zuschauer zu degradieren. Hier wird mangels klaren Vorgaben in unserem Land jeder selbst seinen Weg beschreiten müssen und Kreativität und Selbstorganisation sind dabei sicher gefragt. In meinem Fall war es eine Tutorenausbildung bei Prof. Siebolds aus Köln, die Moderatorenausbildung für Qualitästzirkel der ÖGAM, eine hervorragendes Supervisoren-Semester der Medizinischen Universität Graz für Lehrpraxisleiter unter Ilse Hellemann und im Rahmen meiner Sporttrainerausbildung mehre Trainerworkshops der Bundessportorganisation zu den Themen Motivationsanalyse, Kommunikationsschulung und Didaktik, darunter auch ein einjähriges Projekt zur Leistungsmotivation unter Prof. Amesberger.
Dies führte schließlich auch zur Einberufung in die Planungsgruppe für die Pflichtfamulatur im 6. Studienjahr des neuen Curriculums der Medizinischen Universität Graz. 100% unserer Absolventen sind so zumindest 4 Wochen im allgemeinmedizinischen Setting und manche bekommen erst so Lust und Interesse, in der Primärversorgung später tätig zu werden. Die Universitäre Lehrpraxis kann im Gegensatz zum Turnus nur punktuell spezifische medizinische Fragestellungen und Krankheitsbilder aufarbeiten, aber 4 Wochen sind eine gute Zeit, einmal die Studierenden die speziellen komplexen und problemorientierten Lösungswege zu erleben, das vorher erlernte universitäre Wissen zu relativieren und zum Nutzen des Patienten individuell zusammenzusetzen. Außerdem sehen sie erstmals, dass „soft-skills“ oft mehr bewirken als das Abarbeiten von „hard facts“.
Lehre in im Versorgungsalltag?
Ist Lehre trotz überbordender Arbeit, steigender Bürokratie und zeitlichem Druck als Einzelkämpfer in einer Kassenpraxis für Allgemeinmedizin überhaupt machbar? Dieser Einblick soll ermutigen, es trotzdem zu wagen. Ein gut geplantes strukturiertes Vorgehen bringt allen Beteiligten Vorteile und ermöglicht rasche Fortschritte. Kern einer erfolgreichen Lehrtätigkeit mit immer neuen jungen Kolleginnen und Kollegen ist die allmähliche Erarbeitung von Algorithmen, redundanten Handlungsanweisungen und auch schriftlichen Hilfsmitteln und Checklisten, die häufige und immer wieder auftretende Routine-Problemstellungen von vornherein strukturieren helfen. Ein kleines Handbuch mit Checklisten für Standardsituationen des Lehrbetriebes ist so entstanden und bei Gelegenheit sofort aus der Schublade zu ziehen und umzusetzen.
Einstieg
Schon beim Einstieg der jungen Kollegen kann durch gute Vorbereitung jedesmal der Start reibungslos ablaufen, in wenigen Tagen eine vollständige Integration ins Praxisteam stattfinden und die Patienten werden den Jungarzt/die Jungärztin rasch akzeptieren.
Der Beginn einer neuen Lehrpraxiszeit
Aus:„Tipps und Tricks aus der Qualitätszirkel-Kiste“
- Medizinische Checkliste zur Unterstützung eines ersten Gespräches, in dem auf die Killer-Fehler bei der Arbeit hingewiesen wird (zb kein i.m. bei Marcoumar, Nadeln nicht in die Hülle stecken, Algorithmus Nadelstichverletzungen etc)
- Organisatorische Checkliste für den Praxisalltag (Parkplatz, Schlüssel, Dienstzeit, persönlicher Bereich etc.)
- Internet-Zugangsregeln
- Wochenplan, in dem man die Pflichtzeiten und Bereitschaftszeiten eintragen kann
- Vorstellungsplakat im Wartezimmer und in der Anmeldung, persönliche Namensschilder
- Evtl. den vorherigen TA in seiner letzten Arbeitswoche schon den neuen TA einschulen lassen (z.B. EDV, Praxisablauf, Dokumentation etc.)
Ein strukturierter Einstieg ist auch wichtig, da nicht nur die 1:1 Lehre als Ziel zu sehen ist, sondern das ganze Team ist Lehr- und Lernumgebung und sollte möglichst reibungsfrei funktionieren trotz Einbindung eines/einer zunächst Praxisfremden. Der schnelle, gut strukturierte Einstieg ist wichtig, damit simple logistische Probleme nicht die Lehre hemmen.
Das rasche Übernehmen von Teilverantwortung erhöht auch den Lerneffekt, den der Assistent/die Assistentin wird sich motivierter mit den Zielen der Ordination identifizieren.